AUSERLESEN
SINGLED OUT
Entgegen dem traditionellen Ausstellungsrhythmus von sechs Wochen bietet der Galerieverein Leonberg in einem Zeitraum von 12 Tagen, der den üblicherweise vorbehaltenen Aufbau- und Abbauzeiten „entnommen“ wurde, Künstlern von der Akademie eine Plattform zur Präsentation ihrer selbst sowie ihrer Kunstsprachen.
Von Andrea Wolter-Abele
In auserlesener Form, das heißt jeweils für einen Vernissageabend, sind zwei Studentinnen und drei Studenten von der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, eine Stipendiatin der Akademie Solitude und eine Studentin der Akademie Malmö auserlesen worden, ihre Kunstformen dem Publikum vorzustellen.
Die Ausstellungsreihe »Singled out« stellt nicht nur von der Präsentationsdauer von einem Abend ein Experiment dar, vielmehr liegt die kuratorische Herausforderung in der Durchbrechung der seit den 60er Jahren sich entwickelnden Vernissageform als gesellschaftliches Spektakel und der sich dadurch einstellenden Nicht-Kommunikation zwischen Künstler – Kunstwerk – Betrachter.
»Das ganze Leben der Gesellschaft, in der moderne Produktionsbedingungen herrschen, artikuliert sich selbst als eine immense Ansammlung von Spektakeln. Was einmal direkt gelebt wurde, existiert nun im Modus der Repräsentation.« Guy Debord, 1983
Die spektakuläre Präsentationsform, die von den Mediengattungen Video- oder Computerkunst als Interaktion seit den 60er Jahren radikalisiert wurde, wird mehr und mehr als Attraktionselement vom Publikum gefordert. Die Institution als „support system“ von Kunst sieht sich als Dienstleistungsinstrument neuen Verkehrsregeln der ästhetischen Kommunikation gegenüber. Nicht der Betrachter hat sich anzustrengen, sondern das Kunstwerk, mithin die gesamte Kunstbranche.
Über die kurzlebige Befriedigung des gesellschaftlichen Ereignisses der Vernissage als Szenekunst, aber auch der Vermittlungskunst hinweg, soll wieder der Weg der Wahrnehmung und der Kommunikation zwischen den drei Beteiligten, dem Kunstwerk, dem Künstler und dem Betrachter, geebnet werden.
Durch Veränderungen der Funktionsräume, des Vernissageablaufs sowie des Kommunikationsangebotes sieht der Galerieverein sich selbst nicht mehr als Veranstalter, vielmehr als Gastgeber. Das Publikum wird nicht zum distanzierten Teilnehmer der Ausstellungsreihe, sondern zum Gast. Und die Künstler sowie die Kunstwerke werden nicht als Objekte mehr oder weniger bestaunt, sondern vielmehr zu Freunden. Die Gespräche zeitigen den Erfolg.
Abbildung: Thomas Putze
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Freitag, 19. April, 19 Uhr
Maren Strack
Performance
(Stipendiatin Akademie Solitude, Performance, Latex)
Maren Strack arbeitet im Beziehungsfeld von Bildhauerei und Tanz. Als Bildhauerin setzt sie sich mit verschiedenen Materialien auseinander und erforscht ihre choreografische Benutzbarkeit. In dem 30-minütigen Solo „Latex“ testet sie mit ihrem Körpergewicht Dehn- und Reißfestigkeit eines am Boden fixierten Latextanzkleides. PS: Latex besitzt einen Dehnkoeffizient von 2 1/2, d. h. er kann bis zur zweieinhalbfachen Länge seines Normalzustandes gedehnt werden.
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Sonntag, 21. April, 19 Uhr
Lili Scholtes
Video „I don’t know“
(Edinburgh College of Art, MA Fine Arts, Stipendium Akademie Malmö,
Videokunst)
„extra large peanuts“
(Ausschnitt)
Gespräche mit Freunden sind zu einer kurzen grotesken Videoarbeit geschnitten. Wichtig sind hierbei die Pausen, Zögerungen, Widersprüche und Irritationen.
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Dienstag, 23. April, 19 Uhr
Elisabeth Smolarz
Fotografien
(Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Klasse Marianne Eigenheer, Fotografien)
„where to go?“
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Donnerstag, 25. April, 19 Uhr
Wolfgang Neumann
Malerei
(Staatliche Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart, Klasse Cordula Güdemann, Malerei)
„Megalosürpris“
Groteske Geschichten, knallige Neonfarben, seltsame Zeitgenossen und markante Gesichter bevölkern die Bilderwelt von Wolfgang Neumann. Der 25-jährige Ludwigsburger studiert seit 1998 an der Staatlichen Akademie der Bildenden künste in Stuttgart bei Moritz Baumgartl, Joa Hörter und Cordula Güdemann. Er hält an den traditionellen Medien der Malerei und Grafik fest. Mit ihnen bearbeitet er Themen, wie zum Beispiel den Erich Kästner Roman „Fabian“, zu dem ein Zyklus von Papierarbeiten entstand. In seinen Gemälden kombiniert er in den Medien vorgefundene Personen und Bildfragmente collagenartig mit Erdachtem. Sie wirken oft ironisch, karikaturhaft, witzig oder auch mal polemisch und zeigen oft Rückbezüge auf die Kunstgeschichte. Reflektion sucht er in immer wieder neuen Selbstportraits.
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Samstag, 27. April, 19 Uhr
Stefan Knaus
Zeichnunen, Fotografien
(Staatliche Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart, Klasse Cordula Güdemann, Zeichnungen, Fotografien)
Stefan Knaus‘ künstlerisches Interesse geht von der Linie aus. Sowohl im Medium der Zeichnung als auch der Fotografie untersucht Knaus die Ausdrucksmöglichkeiten der Linie, die er als Fläche wie auch als Raumeinheit versinnbildlicht.
In den Zeichnungen beleuchtet Knaus thematisch und zeichnerisch die Entwicklung, resp. die Metamorphose des Menschen zur Maschine. Ohne vorhergehende festgelegte Konzeption entwickelt sich während des Zeichenvorgans der mensch zu einer Maschinen implizierten Figur. Der Betrachter ist fasziniert vn der Intensität der Linie, die sich ohne Schraffuren und Verwischungen im Blatt zur körperlichen und räumlichen Einheit vollzieht. Das lineare Element erhält in der Fotografie dagegen einen experimentellen Charakter, wobei Knaus allein mit einfachsten technischen Mitteln ohne jegliche Art von digitaler Bildbearbeitung arbeitet. Durch die Mehrfachbelichtung der Zeichnungen und Schriften mit der Taschenlampe entstehen mehrere Raum- und Realitätsebenen, die den Betrachter in orientierungslose, traumähnliche Situationen einbeziehen.
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Montag, 29. April, 19 Uhr
Thomas Putze
Installationen
(Staatliche Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart, Klasse Micha Ullman, Installationen)
100 m Folie, ein nachfüllbarer Edding und 24 Stunden Zeit. Der Künstler allein in der Galerie als Höhlenmaler zwischen mentaler Müllentsorgung und geistigem Höhenflug. Die Folie wird zur Membrane, mit der sich Thomas Putze von der Außenwelt abschirmt und doch durch sie kommuniziert. Ab 19 Uhr kann man die letzten Stunden der grafischen Odyssee mitverfolgen und sich Stücke aus der Zeichenmembrane schneiden.
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Dienstag, 30. April, 19 Uhr
Heasun Kim
Installationen
(Staatliche Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart, Klasse Micha Ullman, Installationen)
„Einen Ort finden, wo ich mein bester Freund sein kann.“
Mit anschließendem Künstlerfest zu SINGLED OUT
Galerieverein Leonberg e.V.
Willi Siber